Bachmut in Bochum

Alles ist vom Krieg durchdrungen und riecht danach, alles atmet den Krieg, hängt von ihm ab und ist ihm unterworfen – als gäbe es kein normales menschliches Leben mehr irgendwo auf der Welt.*

So beschreibt die russische Fotografin und Journalistin Victoria Ivleva ihre Erlebnisse aus der ukrainischen Stadt Bachmut, die zum Symbol des ukrainischen Widerstands gegen die russische Invasion wurde. Die mehrfach preisgekrönte Aktivistin zog nach dem 24. Februar 2022 nach Kiyv und dokumentiert den grausamen Alltag des Krieges. Am 16. Mai 2023 wurde in der Universitätsbibliothek Bochum die Ausstellung Ivlevas Fotografien aus Bachmut eröffnet.

„Wir begrüßen heute die Fotografin, die zu uns aus Kyiv gekommen ist“ – wird Ivleva einführend vorgestellt. Sie erwidert direkt: „Ich bin zu Ihnen aus Kiev angereist, aber ich komme aus Russland. Das vergesse ich nie. Und ich vergesse nicht, was mein Land den Ukrainern angetan hat“ – betont sie und bittet das in der Eröffnung versammelte Publikum, eine Schweigeminute für die Kriegsopfer zu halten.

Die Ausstellung „Bachmut in Bochum“ umfasst 25 Schwarzweiß-Fotografien, die in der ersten Februarhälfte 2023 aufgenommen wurden. Sie dokumentieren das Leid der Menschen, die diese mittlerweile kaum noch existierende Stadt aus verschiedenen Gründen nicht verlassen haben. Während sich Ivleva aktiv an der Evakuierung der Menschen beteiligt, dokumentiert sie gleichzeitig ihre Geschichten. Es ist eine sehr emotionale Austellung, die viele Besucherinnen und Besucher tief berührt.

Misha Nodelman, ein in St. Petersburg geborener Geigenmeister, sorgt für die musikalische Begleitung. Auch er widmet sich heute Hilfsprojekten für die Ukraine. Die subtil eingeflochtenen jüdischen Lieder erinnern an die komplizierte Geschichte Osteuropas, die in Lebenswegen mancher in Bachmut fotografierten Menschen in ihrer gesamten Tragik erzählt wird:

Mein Gott, Dorofejewna begann ihr Leben 1930. Wenig später kam es zum Holodomor, sie überlebte damals. Dorofejewna beendet ihr Leben – der Krieg tobt. Und sie, fast hundert Jahre alt, blind, verlässt die Hölle, hält ihr Sterbebündel im Schoß und singt ein ukrainisches Lied.*

Die Ausstellung ist bis Ende Juli 2023 in der Universitätsbibliothek zu sehen. Die Geschichten hinter den Bildern wurden im Katalog zur Ausstellung im Open Access festgehalten. Es ist von großer Bedeutung, den Kriegsalltag und die Verbrechen zu dokumentieren und dem Vergessen entgegenzuwirken. Victoria Ivleva leistet einen wichtigen Beitrag dazu und schreibt im März 2023:

Ich wünsche mir so sehr, dass alle überleben. Aber mir ist klar, dass das nicht passieren wird.*

* Die Zitate stammen aus dem Ausstellungskatalog.

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