Das Kronland „Galizien und Lodomerien“ als österreichische Kolonie und postkoloniale Ansätze zur Erklärung der ukrainischen Identität im Habsburgerreich

Österreich ist in der heutigen Wahrnehmung keine klassische Kolonialmacht wie Frankreich, das vereinte Königreich oder das deutsche Kaiserreich. Jedoch gibt es neuerdings Meinungsverschiedenheiten in der Geschichtswissenschaft darüber, ob Österreich wirklich keine Kolonialmacht sei. Der Historiker Sauer hebt auf den S. 7f. und 17f. hervor, dass die Donaumonarchie zwar kolonisatorische Ambitionen und Ziele hatte, allerdings keine Überseegebiete langfristig etablierte und daher keine Kolonialmacht sei.… Weiterlesen

Postkoloniale Theorien als Werkzeug zur Beschreibung der Geschichte der Ukraine zwischen Russland und Polen

„Der Überlebende fühlt zum erstenmal einen nationalen Boden unter seinen Füßen. Von diesem Moment an weicht die Nation nicht mehr von ihm: man findet sie dort, wohin er geht, wo er ist, niemals weiter weg – sie wird eins mit seiner Freiheit.“ 1

Bohdan-Chmelnyzkyj-Denkmal in Kiew, @gerhardreus

Bereits Sartre beschrieb es mit seinen Worten treffend und zurzeit passender denn je, dass ein nationaler Boden dem Menschen auch das Gefühl von Zugehörigkeit gibt – ein Nationalgefühl.… Weiterlesen

Postkolonialismus und die Entwicklung des ukrainischen Nationalstaates

In diesem Essay werde ich mich mit der Frage beschäftigen, wie sich die koloniale Vergangenheit der Ukraine auf den Prozess der Bildung und Entwicklung eines eigenständigen Nationalstaates auswirkte und ihn bis heute beeinflusst.

Foto von Pavel Neznanov auf Unsplash

Zunächst soll diese Frage in einen breiteren Kontext eingeordnet werden. Sie steht deutlich im Bezug zu den Postcolonial Studies und ist im Rahmen der Frage, inwiefern postkoloniale Theorien zur Beschreibung der Geschichte der Ukraine zwischen Russland und Polen passen, entwickelt worden.… Weiterlesen

Das postkoloniale Verhältnis zwischen der Ukraine und Russland

Wie Andrzej Szeptycki postuliert, konzentriert sich die (post-)koloniale Forschung klassischerweise auf die westeuropäische Herrschaft über überseeische Gebiete, deren Bevölkerung von den Kolonisatoren als different aufgefasst wird. María do Mar Castro Varela und Nikita Dhawan (2015: 31) lassen in ihrem Einführungswerk über postkoloniale Theorie das „Zeitalter des europäischen Kolonialismus“ mit dem Griff nach der Karibik und den Amerikas beginnen, auch wenn sie auf schon früher auftretende Phänomene der Okkupation und Herrschaft verweisen.… Weiterlesen

War die Ukraine ein koloniales Subjekt Polens?

Es ist etwa 16 Jahre her, dass Ricarda Vulpius in einem Beitrag zum Fortschritt der insbesondere auf Russland bezogenen Imperiumsforschung festgestellt hat, sie habe „einerseits Konjunktur, andererseits steht sie in vielen Themenfeldern noch am Anfang.“ 1 Seither ist viel Zeit vergangen, in der sich ForscherInnen dem Imperium als Gegenstand erneut angenähert und es, sowohl in seinen zaristischen, als auch sowjetischen Ausprägungen mit all seinen Facetten analysiert haben.… Weiterlesen

Bachmut in Bochum

Alles ist vom Krieg durchdrungen und riecht danach, alles atmet den Krieg, hängt von ihm ab und ist ihm unterworfen – als gäbe es kein normales menschliches Leben mehr irgendwo auf der Welt.*

So beschreibt die russische Fotografin und Journalistin Victoria Ivleva ihre Erlebnisse aus der ukrainischen Stadt Bachmut, die zum Symbol des ukrainischen Widerstands gegen die russische Invasion wurde. Die mehrfach preisgekrönte Aktivistin zog nach dem 24.… Weiterlesen

Der Osten im Westen ist wieder da – mit neusten Informationsquellen rund um die aktuelle Lage in Osteuropa

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

als wir uns vor einem Jahr in eine kleine Pause verabschiedet haben, war der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine erst einige wenige Tage alt. Mittlerweile leben wir – besonders wir Osteuropa-Interessierte – in einer neuen Wirklichkeit. Nicht nur die politische Lage in Europa steht vor neuen Herausforderungen. Auch die Osteuropa-bezogenen Fächern wie die Slavistik oder die Osteuropäische Geschichte definieren sich neu, stellen neue Forschungsfragen und bilden neue Netzwerke.… Weiterlesen

Virtueller Stadtrundgang durch Kiew

Im Juli 2020 startete unser Projekt mit den ukrainischen StudentInnen. Gemeinsam mit vier weiteren StudentInnen bin ich von Herrn Prof. Rothstein zunächst darin geschult worden, welche Erwartungen an uns für an das Projekt gerichtet werden. Ziel war es, den ukrainischen StudentInnen einen Erstkontakt zu Deutschmuttersprachlern zu bieten und ein Videoprojekt zu absolvieren. Bei diesen Videos sollten die ukrainischen StudentInnen für sie interessante Orte ihrer Heimat, der Ukraine, zeigen und näher auf Deutsch beschreiben.… Weiterlesen

„Vilcha – The Resettled Village“. Divergierende Perspektiven auf die Chernobyl-Katastrophe

Heute ist die Ruine des Chernobyl-Atomkraftwerks ein beliebtes Ausflugsziel für Touristen – vor allem aus Westeuropa und den USA. Die HBO-Miniserie des gleichen Namens sorgte 2019 weltweit für Aufsehen und neues Interesse an Ort und Geschichte des Unglücks. Unberührt bleiben bei beiden Phänomenen die Spätfolgen des Unglücks und die Erfahrungen unzähliger Menschen aus der ehemaligen UdSSR (vor allem aus der Ukrainischen SSR und der Belarusischen SSR) und deren Nachkommen.… Weiterlesen

„Das Jahrzehnt der Extreme“. Die Westukraine 1939-1949. Ein Oral-History-Projekt

Das Jahrzehnt zwischen 1939 und 1949 kann in einigen Grenzräumen Ostmitteleuropas als ein Jahrzehnt der Extreme betrachtet werden – in Anlehnung an den von Eric Hobsbawm geprägten Begriff des Jahrhunderts der Extreme. Es zeichnet sich durch eine hohe Gewaltbereitschaft und -ausübung verschiedener Akteure aus. Innerhalb dieser Zeitspanne führte die deutsche sowie die sowjetische Besatzungsmacht während des Zweiten Weltkrieges in den heute polnischen, westukrainischen und rumänischen Grenzregionen Galizien, Wolhynien wie auch der Bukowina ethnische Säuberungen, Zwangsmigrationen sowie die Vertreibung lokaler Gemeinschaften durch.… Weiterlesen