Auf Umwegen zum OESP
Als der neue Masterschwerpunkt Osteuropäische Studien mit Praxisbezug an der Ruhr-Universität Bochum vorgestellt wurde, befand ich mich bereits mitten in einem anderen Studiengang. Im Master of Education studierte ich Geschichte und Sozialwissenschaften auf Lehramt, merkte allerdings schon bald, dass ich meine Ausbildung in Geschichte gerne vertiefen wollte. Aufgrund meines großen Interesses für Osteuropa und den Kenntnissen in einer osteuropäischen Sprache war die Entscheidung für den Studienschwerpunkt OESP für mich nur naheliegend und quasi vorgezeichnet. Doch der ausschlaggebende Grund für die Wahl dieses speziellen Schwerpunkts war der integrierte Praxisanteil in Form eines obligatorischen Praxissemesters.
Die Möglichkeit, parallel zu den Studieninhalten auch praktische Erfahrung sammeln zu können war und ist für mich persönlich das Wichtigste an einem gewinnbringenden Studium. Während des Praxissemesters konnte ich mich ausprobieren, meinen geschichtswissenschaftlichen Horizont erweitern und habe insbesondere wertvolle Einblicke in mögliche Berufsfelder erhalten.
Das Praxissemester
Im Wintersemester 2019/20 habe ich sechs Monate bei der Dokumentationsstelle zur Kultur und Geschichte der Polen in Deutschland Porta Polonica verbracht. Während des Praxissemesters konnte ich nicht nur meine Kenntnisse aus dem Studium anwenden, sondern vielmehr auch eine Menge neuer Arbeitsbereiche, Inhalte und Personen (kennen)lernen.
Anknüpfend an meine persönlichen Forschungs- und Interessenschwerpunkte half mir das Team von Porta Polonica zunächst dabei, ein passendes Projekt für die Dauer des Praxissemesters zu finden. Mit dem Thema der polnischen Zwangsarbeitenden an der Porta Westfalica während des Zweiten Weltkriegs wurden sowohl meine eigenen Interessen als auch mein Studienschwerpunkt abgedeckt. Zudem war die Arbeit an dem Thema aufgrund eines bereits laufenden lokalen Forschungsprojekts zur Aufarbeitung der NS-Zeit und der einstigen Untertageverlagerung vor Ort besonders aktuell und spannend. Nach einer ersten Recherche zu Porta Westfalica in der NS-Zeit und dem dortigen Zwangsarbeitereinsatz während des Zweiten Weltkriegs nahm ich Kontakt zum städtischen Verein KZ-Gedenk- und Dokumentationsstätte Porta Westfalica e.V. auf, um mein eigenes Projektvorhaben vorzustellen und die Möglichkeit einer Zusammenarbeit anzufragen. Auf diese Weise entwickelte sich ein nachhaltiger Kontakt zu Historiker Thomas Lange, der zugleich Geschäftsführer des städtischen Vereins zur Aufarbeitung der NS-Zwangsarbeit an der Porta ist.
In meiner Arbeit über die Schicksale polnischer Zwangsarbeitender an der Porta Westfalica 1944/45 habe ich das Thema wissenschaftlich recherchiert, Interviews durchgeführt, Archivrecherche betrieben und daraus schließlich eine Online-Ausstellung für das Internetportal von Porta Polonica erstellt. Während der Bearbeitung dieses Hauptprojekts bin ich außerdem über weitere Erinnerungsorte der NS-Zwangsarbeit in der Umgebung gestoßen, die bis dato nur wenig Aufmerksamkeit erfahren und habe darüber zwei kleinere Beiträge verfasst (Polnische Zwangsarbeitende in Witten und Polnisches Mahnmal in Menden). Außerdem konnte ich im Praxissemester meine Kompetenzen aus dem Master of Education einbinden, indem ich das Thema der NS-Zwangsarbeit didaktisch aufbereitet habe.
Insgesamt habe ich die Zeit bei Porta Polonica als sehr abwechslungsreich erlebt – über die klassische wissenschaftliche Arbeit hinaus habe ich das Team der Dokumentationsstelle zu vielen verschiedenen Veranstaltungen, wie z.B. Gremiensitzungen, Tagungen und weiteren öffentlichkeitswirksamen Terminen, begleitet. Auf diese Weise bekam ich die Möglichkeit, wertvolle Kontakte zu Personen aus den Bereichen Bildung, Kultur und Journalismus zu knüpfen und zugleich viel über mögliche Tätigkeitsfelder nach dem Studium zu lernen.
Fazit
Das Praxissemester des Masterschwerpunkts ist eine große Bereicherung für das Studium, da man Studieninhalte praktisch anwenden kann, gleichzeitig aber auch viele neue Inhalte und Arbeitsbereiche kennenlernt, mit denen man in einem rein theoretischen Studium eher weniger konfrontiert wird. Für mich persönlich war die praktische Erfahrung bei Porta Polonica ein großer Gewinn: Während der sechs Monate konnte ich mich ausprobieren, meine Beiträge und Projekte eigenständig konzipieren, mein Wissen anwenden und erweitern, Kontakte knüpfen und – nicht zuletzt – viele spannende Dienstreisen mitmachen.
Das Besondere am Schwerpunkt ist dessen enge Kooperation mit verschiedenen Partnerinstitutionen des Osteuropakollegs NRW, die es ermöglicht, dass Studierende ihr Praxissemester in einer Institution absolvieren können, deren Aufgaben- und Tätigkeitsfelder ihren persönlichen Präferenzen entsprechen. So konnten meine Kommilitonen und ich praktische Erfahrung in Einrichtungen sammeln, die auch tatsächlich mit unseren Forschungs- und Interessenschwerpunkten vereinbar waren. Zudem war die persönliche Betreuung der Studierenden in dem Studienschwerpunkt sehr gelungen. Somit ist der Masterschwerpunkt aus meiner Sicht eine ganz klare Empfehlung für alle an Osteuropa und Praxiserfahrung Interessierten.