Der Osteuropa-Begriff ist eine Konstruktion! Jeder weiß, dass es dort im Osten eine Region gibt, die von Tschechien bis zum Kaukasus reicht, doch eine einheitliche Bezeichnung ist noch immer nicht gefunden worden. Zumindest keine womit alle einverstanden wären. Wie auch, wenn sich die Variablen, die Merkmale für die Zuschreibung ständig ändern.
So verstand man beispielsweise im 17. Jahrhundert nach Hans Lemberg unter dem Begriff Osten noch den Orient. Dieser galt als barbarisch und wild. Erst als das Kaiserreich Russland sich deutlich genug im europäische Mächteverhältnis etabliert hatte, verschob sich das Reich und seine Nachbarn langsam vom Norden in den Osten. Spätestens nach dem Krimkrieg 1856 waren sich die Westeuropäer einig, dass Russland im Osten lag. Doch trotz versuchter Annäherungen an den Westen blieb die Kluft zwischen diesen Regionen bestehen. Die Territorien östlich von Deutschland wurden als wirtschaftlich und wissenschaftlich schwächer angesehen mit ganz unterschiedlichen politischen und sozialen Zielen. Auch im Glauben mit der katholischen und orthodoxen Kirche waren sie anders. Eine Dichotomie, welche sich beispielsweise durch den Kalten Krieg nur noch verfestigte.
Zu dieser Zeit war der Ostblock der Feind. Diese 46 Jahre haben das Leben in Europa geprägt und haben das Stigma über den Vorwurf der Rückständigkeit oder der Totalität des Ostens erhalten. Die Region wurde und wird immer noch als „anders“ angesehen.
Meines Erachtens liegt genau dort das Problem in der Diskussion um den Osteuropa-Begriff. Der Osteuropa-Begriff ist eine Konstruktion, weil er stets von Außenstehenden bestimmt wird. Ständig definiert man den Osten Europas über den Westen. Die Variablen und Merkmale der Zuordnung zu Osteuropa sind so fluid, weil außenstehende Parteien wie die NATO diese Merkmale festlegen. Man nimmt Werte aus den Westen und versucht sie auf den Osten zu übertragen, ohne anzuerkennen, dass es sich um eine eigenständige Kultur handelt. Man sollte den Osten sich selbst definieren lassen. Jede Zuschreibung, ob politisch oder geographisch, ist konstruiert. Das größte Problem des Osteuropa-Begriffes ist seine negative Konnotation. Und diese muss aufarbeitet werden, jedoch nicht ständig nach westlichen Standards.